S-Boote in der Reichsmarine 1919 - 1935
Am Ende des 1. Weltkrieges war das Boot "Lüsi 1" zwar fertig gestellt, aber es erfolgte keine Abnahmefahrt mehr. Daneben waren noch 12 weitere Boote im Bau. Davon wurden fünf weitergebaut, die Boote "LM 24" - "LM 26" sowie "LM 29" - "LM 33" wurden stillgelegt.
Vom Chef der Marineleitung wurde Kpt. z.S. Lohmann, der Chef der Seetransportabteilung der Reichsmarine, mit Sondermitteln und der Generalvollmacht für deren Einsatz ausgestattet: Er ergriff folgende Maßnahmen:
1924 |
Gründung der TRAYAG (Travemünder Yachthafen A.G.) als Stützpunkt und Werftbetrieb für die Entwicklungs- und Erprobungsarbeiten schneller Motor-Torpedoboote |
1925 |
Gründung des Hochseesportverbandes "HANSA" zur Förderung des Seefahrtgedankens und Ausbildung von Personal auf kleinen Motor- und Segelbooten sowie erste Funkausbildung |
1925 |
Beteiligung an der Gründung der Neustädter Slip GmbH als Reparatur- und Ausbildungsbetrieb für Sportboote und Schnellboote |
1926 |
Zuwendung von 60.000 RM an den Motor-Yachtclub von Deutschland zur Erprobung der von der TRAYAG entwickelten Motorboote |
1923 - 26 |
Ankauf bzw. Übernahme der in privater Hand befindlichen Kriegs-LM-Boote "LM 20 bis 23 sowie 27 und 28" und des Bootes "LÜSI 1" |
In den Jahren 1923 bis 1926 kaufte die Reichswehr
die in privater Hand befindlichen Kriegs-LM-Boote "LM 20", "LM 21", "LM 22", "LM 23", "LM 27" und "LM 28" auf. Die LM-Boote liefen zunächst mit "zivilen" Besatzungen und unbewaffnet. Ab 1926
erhielten sie Mercedes-Benz-Otto-Motoren neuerer Bauart sowie Wendegetriebe. Drei Boote erhielten drei 260-PS-Motoren, zwei Boote einen 260 PS-Motor auf die Mittelwelle und zwei 210-PS-Motoren
auf die Außenwellen. Trotz allem waren die Boote zu klien, da sie ursprünglich für den Einsatz an der Küste Flanderns gebaut worden waren.
Die LM-Boote liefen zunächst unter Tarnnamen mit "ziviler" Besatzung und unbewaffnet. Sie erhielten ab 1926 Mercedes-Benz-Otto- Motoren neuerer Konstruktion. Drei Boote erhielten 3 x 260 PS-Motoren, zwei Boote 1 x 260 PS auf die Mittelwelle, 2 x 210 PS auf die Außenwellen. Trotz allem waren die Boote zu klein, da sie ursprünglich für den Einsatz an der Küste Flanderns gebaut waren. Eines der Boote erhielt später zwei 500-PS-Motoren auf zwei Wellen.
Die Beschränkungen des Versailler Vertrages sorgten dafür, dass die Reichsmarine erst in der zweiten Hälfte der 20er Jahre an die Weiterentwicklung von S-Booten herangehen konnte. Das breit angelegte Erprobungsprogramm der Reichsmarine sollte für einen zukünftigen S-Boots-Bau die Grundlagen liefern. Diese Erprobungen liefen fast ausnahmslos als verdeckte Aktivitäten der TRAYAG (Travemünder Yachthafen AG), des Hochseesportverbandes HANSA und des Motor-Yachtclub von Deutschland in Zusammenarbeit mit der Neustädter Slip GmbH, alles mit Unterstützung Institutionen, die von Kapitän zur See Lohmann, Chef der Seetransportabteilung, gebildet worden waren. Lohmann war dafür durch den Chef der Marineleitung mit Sondermitteln und der Generalvollmacht für deren Einsatz ausgestattet. Das Erprobungspersonal gehörte in der Regel der "Schwarzen Reichswehr " an.
1926 gab die Reichsmarine drei Versuchsboote bei der Fr. Lürssen-Werft, Vegesack, bei Abeking & Rasmussen, Lemwerder, und bei der Caspar-Werft, Travemünde, in Auftrag.
Im Herbst 1926 wurde das bei Abeking & Rasmussen in Vegesack gebaute Versuchsboot „K“ geliefert. Es hatte die Abmessungen 17,4 m Länge, 3,48 m Breite und einen Tiefgang von 1,16 m. Das rund 16 t verdrängende Boot wurde von zwei 450/530 PS Otto-Motoren angetrieben und sollte damit eine Geschwindigkeit von ca. 40 kn erreichen. Die Bootsform war durch den Konstrukteur Professor Ehrenburg (Technische Hochschule Berlin) dem Vorbild des englischen 55‘-Thornycroft-CMB nachempfunden. Der Wellenbinderform-Stufengleitboot-Rumpf erlitt bei den ersten Seeversuchen bereits bei 25 kn und leichtem Seegang starke Schäden. Ein neuer wesentlich verstärkter Bootskörper zeigte ständige Leckagen im Bereich der Stufe. Die vorgesehenen 45-cm Torpedorohre für den Heckausstoß und das MG wurden aus Tarnungsgründen durch Ballastgewichte ersetzt.
Auf der Grundlage der für private amerikanische Rechnung gebauten OHEKA II, einen so genannten schnellen Express-Motor-Kreuzer, den Lürssen auf Rechnung eines amerikanischen Geschäftsmannes fertigte, (Länge 22,5 m, Briete 3,7 m, Tiefgang 1,16 m, Geschwindigkeit 32 kn) baute Lürssen auf eigenes Risiko das Versuchsboot "LÜR".
Es war ein Rundspant-Verdrängungsboot mit den
Abmessungen 21,0 m Länge, 3,6 m Breite und 1,28 m Tiefgang. Das rund 23 t verdrängende Boot wurde mit drei 450 PS Maybach-Motoren angetrieben und erreichte eine Geschwindigkeit von 33 kn. Der
Rumpf war als Mahagoni-Kraweelbau gefertigt und sollte die guten Ergebnisse, die bereits mit dem kleineren Boot "Lüsi" - auch als "Liesel" bekannt - gemacht worden waren, untermauern udn
beweisen, dass Verdränger mit Rundspanten sich in dem kurzen ruppigen Seegang der Nordsee wie auch in der Ostsee besser verhalten würden als Gleiter.
Das in Gemeinschaftsarbeit der TRAYAG und der Caspar-Werft in Travemünde gebaute Versuchsboot „Narwal“ wurde als Gegensatz zum Rundspantboot als Gleiter gebaut, obwohl die gemachten Erfahrungen gezeigt hatten, dass die Rundspantform für das Seegebiet der Nord- und Ostsee besser geeignet war. „Narwal“ hatte die Abmessungen Länge 21,3 m, Breite 4,06 m und Tiefgang 0,9 m. Das rund 26,4 t verdrängende Boot (bei voller Beladung 31 t) wurde durch drei 375 PS Atlantik 12 Zylinder-V-Motoren angetrieben und erreichte eine Geschwindigkeit von 34,8 kn. Auch für dieses Boot war der Thornycroft 55‘-Entwurf das Vorbild. Trotz der verstärkten Bauweise bestätigte sich die bessere Eignung der Rundspantboote“ Lüsi 1“ und „Lür“ im Seegang ab Stärke 2 bis 3.
Die Gefährlichkeit des Otto-Motors an Bord von Schnellbooten erwies sich wieder einmal als ein Schnellboot im Hafen des Priwall in Travemünde abbrannte. Auch in See wurde diese Erfahrung untermauert, und mehrere Besatzungen mussten ihre Boote vorübergehend verlassen, bis die brennenden Boote durch Abschotten der Sauerstoffzufuhr oder durch Einblasen von Tetrachlor gelöscht werden konnten.
Am 16.04.1929 stellte die Reichsmarine den „Ostseesperrverband“ auf. Der Verband bestand aus 24 Sperrübungsfahrzeugen und einer Reihe so genannter „Bewachungsfahrzeuge“. Zu den Bewachungsfahrzeugen zählten UZ-Boote (Uboot-Zerstörer) mit dem Zusatz „(S)“ für Schnellboot. Diese setzten sich zusammen aus den ehemaligen LM-Booten mit den Bezeichnungen UZ (S) 13, 14, 15, 16, 17, 20 und 21, aus den Booten ex „Lür“ als UZ (S) 11, ex „K“ als UZ (S) 12, ex-„Narwal“ als UZ (S) 18 und ex-„Lüsi 1“ bzw. „Liesel“ als „UZ (S) 19.
Aber alle Versuche zeigten, dass mit Booten dieser Größe die Forderungen der Reichsmarine nach seegängigen, schnellen Booten mit zwei Torpedorohren 53,7 cm und Flak bewaffnet mit einer möglichst hohen Reichweite und Geschwindigkeiten von mehr als 30 kn nicht erfüllt werden konnten.
Nach eingehender Erprobung entschied sich die Marineleitung für den serienmäßigen Bau von Verdrängern, während im Ausland weitgehend auf Gleitboote gesetzt wurde. Verdränger waren zwar langsamer dafür aber seegangsunabhängiger und daher in Ost- und Nordsee besser einsetzbar.
Wie auch in anderen Marinen sah man in S-Booten in erster Linie Offensiv-Boote mit folgen- den Aufgaben:
- den Torpedoangriff auf große Schiffe |
- das Eindringen in feindliche Häfen und Stützpunkte zur Bekämpfung von Schiffen |
- den Angriff auf feindlichen Seehandel |
- kleinere Landungs- (Kommando-) Unternehmen gegen die feindliche Küste |
Nebenaufgaben waren:
- Jagd auf U-Boote |
- Küstenwach- und Geleitdienst |
- Aufklärungs- und Meldedienst |
- Legen offensiver Minensperren |
Das erste moderne Schnellboot wurde im August 1930 in Dienst gestellt. Das Boot verdrängte 51,6 t und war ein Rundspant-Kompositbau mit Mahagonibeplankung auf Aluminium-Spanten mit drei Daimler-Benz-12-Zylinder-Otto-Motoren mit je 800/900 PS auf stählernen Fundamenten. Das Boot fuhr zunächst unter der Bezeichnung "UZ(S) 16" (Unterseebootzerstörer - Schnellboot), dann als "W 1" (Wachboot) und schließlich als "S 1" (Schnellboot). Seine Höchstgeschwindigkeit betrug 34 kn. Es manövrierte gut und war bis Seegang 5 - 6 einsetzbar. 1933 erhielt es zwei 53,3 cm Bugtorpedorohre und eine 20-mm-Flak sowie ein MG.
Am 01.09.1930 wurde unter dem Kommando von Kptlt
Erich Bey die UZ(S)-Versuchsgruppe gebildet, die der Torpedo- und Mineninspektion in Kiel unterstand.
Die Boote "S 1" bis "S 3" hatten einen so genannten Torpedorohrlöffel (siehe Foto).
1931 bestellte die Reichsmarine eine Serie von vier S-Booten bei der Fr. Lürssen-Werft. "S 2" - "S 5” wurden 1932 in Dienst gestellt. Parallel wurde die Entwicklung von Schnellboot-Dieselmotoren betrieben. Die Firma MAN konzentrierte sich auf einen Reihenmotor, die Firma Daimler- Benz auf einen V-Motor. Ab "S 4" hatten die Boote vorne gerade Torpedorohre mit Deckel.
Am 12.06.1932 wurde die 1.
Schnellbootshalbflottille unter dem Kommando von Kptlt Erich Bey aufgestellt. Ihm unterstanden die Boote "S 1" bis "S 5". Als Begleitschiff diente der Flottentender
"Nordsee".
Mit "S 6" erhielt die Reichsmarine 1933 das erste Boot mit Dieselmotoren (drei MAN L-7 Viertakt-Diesel mit je 960/1320 PS). Das Boot verdrängte 36 t und war nur 32 kn schnell. "S 7" - "S 9" erhielten ebenfalls MAN-Motoren und wurden 1934 bzw. 1935 in Dienst gestellt. Mit der Einführung der Diesel-Motoren war die Explosionsgefahr vermindert, geringer Kraftstoffverbrauch erhöhte den Fahrbereich und verminderte die Betriebskosten.
Am 01.09.1934 übernahm Kptlt Günther Schubert das Kommando über die Halbflottille.
Ab "S 7" erhielten alle Boote ein Vorschiff mit geknickten Spanten, um so die Seefähigkeiten zu verbessern.
Die Reichsmarine wurde am 12.03.1935 in Kriegsmarine umbenannt. Sie verfügte zu diesem Zeitpunkt über die Schnellboote "S 1" bis "S 8", die in der 1. Schnellbootshalbflottille zusammengefasst waren. Dieser unterstand auch das am 24.09.1934 in Dienst gestellte Begleitschiff "Tsingtau".
Am 12.06.1935 wurde "S 9" in Dienst gestellt und der Verband in 1. Schnellbootflottille ( 1.SFltl) umbenannt. Die Boote "S 10" bis "S 13" liefen ebenfalls 1935 zu.
Die nächste Serie "S 10" - "S 13" (1933 bei Lürssen in Auftrag gegeben) sollte die neu entwickelten Daimler-Benz 16 Zylinder Viertakt-V-Motoren (MB 502) mit je 900/1320 PS erhalten. Sie sollten eine Dauerhöchstfahrt von 35 kn erreichten. Die Kurzhöchstfahrt sollte bei 36,5 kn liegen.
Tabelle deutsche Schnellboote "S 1" bis "S 13"
Typ | In Dienst | Abmessungen | Antrieb | Bewaffnung |
S 1 | 1930 | L: 26,85 m |
3 Daimler Benz Bfz 12 Zylinder-Viertakt mit je 800/900 PS |
2 x ToRo 53,3 cm |
B: 4,20 m | 1 x 2 cm MK | |||
T: 1,10 m | 1 x MG | |||
S 2 bis S 5 | 1932 | L: 27,94 m |
3 Boote Daimler-Benz 1 Boot Maybach |
2 x ToRo 53,3 cm |
B: 4,20 m | 1 x 2 cm MK | |||
T: 1,10 m | 1 x MG | |||
S 6 bis S 9 | 1932/35 | B: 32,40 m | 3 x MAN L 7 | 2 x ToRo 53,3 cm |
L: 4,90 m | 1 x 2 cm MK | |||
T: 1,20 m | 1 x MG | |||
S 10 bis S 13 | 1935 | B: 32,40 m | 3 x Daimler MB 502 | 2 x ToRo 53,3 cm |
L: 4,90 m | 1 x 2 cm MK | |||
T: 1,40 m | 1 x MG |